VfA unterstützt Seminarfahrt zum Deutschen Juristentag
Das Institut für Deutsches und Europäisches Arbeitsrecht (IDEAS) sowie das Institut für Arbeits- und Wirtschaftsrecht (AWR) der Universität zu Köln haben gemeinsam die Verhandlungen der arbeits- und sozialrechtlichen Abteilung auf dem 74. Deutschen Juristentag vom 25.09. – 27.09.2024 in Stuttgart besucht. Die Abteilung befasste sich mit dem Thema: „Wen schützt das Arbeits- und Sozialversicherungsrecht. Empfiehlt sich eine Neuausrichtung seines Anwendungsbereichs?“. Die Universität zu Köln war in besonderer Weise während der Verhandlungen vertreten, hatte doch Professor Dr. Christian Rolfs das diesjährige Gutachten für die Abteilung verfasst. Dies bot die Gelegenheit, bereits im Sommer ein gemeinsames Vorbereitungsseminar von AWR und IDEAS zu veranstalten, um die Thesen des Gutachters zu diskutieren. Das Gutachten kam im Wesentlichen zu dem Schluss, dass es keiner grundsätzlichen Neuausrichtung des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts bedürfe. So seien der Arbeitnehmer- bzw. Beschäftigtenbegriff auch heute noch geeignet, tatsächliche soziale Schutzbedürfnisse rechtlich zu fassen. Es würden sich jedoch Veränderungen in Nuancen empfehlen. So seien Arbeitnehmer ab einer gewissen Erwerbsschwelle vom Anwendungsbereich des KSchG auszunehmen, weil diese Arbeitnehmer aufgrund ihrer durch ihr deutlich überdurchschnittliches Einkommen indizierten hohen Verhandlungsmacht eines strengen Bestandsschutzes nicht bedürften. Zudem empfiehlt das Gutachten, dass der Gesetzgeber mehr tarifdispositives Gesetzesrecht schafft, etwa im TzBfG oder im ArbZG.
Um diese Themen mit der deutschen Arbeitsrechtscommunity zu diskutieren, haben sich die Seminargruppen vom IDEAS und dem AWR am Mittwochmorgen auf den Weg nach Stuttgart gemacht.
Die Beratungen in der arbeits- und sozialrechtlichen Abteilung begannen mit Referaten von Professorin Dr. Eva Kocher, Professor Dr. Georg Annuß und Frau Richterin am Bundessozialgericht Barbara Geiger, in denen sie Stellung zu den Thesen des Gutachters bezogen. Die inhaltlich sehr unterschiedlichen Stellungnahmen bildeten die Grundlage für die ab dem Nachmittag beginnende Diskussion, die sich zunächst mit dem Arbeitnehmerbegriff beschäftigte. In der Diskussion kristallisierte sich heraus, dass die Mehrheit sich im Grundsatz für die Beibehaltung des deutschen Arbeitnehmerbegriffs in seiner gegenwärtigen Ausformung durch die Rechtsprechung aussprach. Nach den Beratungen in der Abteilung Arbeits- und Sozialrecht begann die gemeinsame Eröffnungssitzung mit Festvortrag des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Professor Dr. Stephan Harbarth, der die Verfassungsgeschichte des Grundgesetzes seit der Paulskirchenverfassung skizzierte. Schließlich fand die Stuttgarter Juristennacht statt, die nach einem gelungenen Konzert in den geselligen Teil des Abends überging.
Der zweite Beratungstag begann für die Seminargruppen um 08:30 Uhr mit einer Diskussionsrunde im kleinen Kreis des Gutachters und der Referenten. Um 09:30 Uhr wurden die Verhandlungen fortgesetzt, die sich zunächst mit den vom Gutachter vorgeschlagenen Regelungen zur Tarifdispositivität befassten. Kontrovers diskutiert wurde, ob tarifdispositives Gesetzesrecht zu flexibleren oder zu schlechteren Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer führe. Im Anschluss behandelte die Abteilung das Sozialversicherungsrecht und diskutierte über die Eigenständigkeit des Beschäftigtenbegriffs gegenüber dem Arbeitnehmerbegriff des Arbeitsrechts. Dabei wurden auch eine konkrete Definition des Beschäftigtenbegriffs und ein Kriterienkatalog zur Abgrenzung von der Selbständigkeit erwogen.
Am Ende der Verhandlungen folgte die Beschlussfassung, in der sich der DJT in weiten Teilen den Vorschlägen des Gutachters anschloss. So sei eine grundsätzliche Neuausrichtung des Arbeits- und Sozialrechts nicht erforderlich. Arbeitnehmer- und Beschäftigtenbegriff sollten nicht vereinheitlicht werden. Den Tarifvertragsparteien sollte durch eine Erweiterung tarifdispositiven Gesetzesrechts ein größerer Verhandlungsspielraum eingeräumt werden. Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte der Beschäftigtenbegriff in Abgrenzung von der Selbständigkeit im Sozialversicherungsrecht konkreter definiert werden. Damit endete der fachliche Teil, bevor am Donnerstagabend bei der Law & Order-Party noch lange gefeiert wurde.
Am Freitag um 09:00 Uhr fand die gemeinsame Schlusssitzung des DJT statt. Als Schirmherrin des 75. DJT in Erfurt hielt Frau Präsidentin des BAG Inken Gallner, die als Lehrbeauftragte der Rechtswissenschaftlichen Fakultät dem Kölner AWR eng verbunden ist, eine flammende Rede für die Rechtsstaatlichkeit und die Ost-West-Annäherung vor dem Hintergrund der Unruhen im thüringischen Parlament. So endete der 74. Deutsche Juristentag wie er begann: Mit Kölner Beteiligung.